Die Welt hat sich massiv verändert. Und das nicht nur seit oder mit Corona. Die durch die Pandemie entstandenen Lieferketten-, Produktions- und Materialprobleme werden nunmehr verstärkt durch geopolitische Unsicherheiten und Verwerfungen aufgrund des Krieges in der Ukraine. Der Ukrainekrieg hat nachhaltig und heftig zu Verwerfungen am Energiemarkt geführt, was wiederum die Inflation auf neue, lange nicht dagewesene Höhen getrieben hat. Zentralbanken überall auf der Welt steuern nunmehr mit Zinsanhebungen dagegen, um die Inflation in den Griff zu bekommen.
Nach einem ca. 14-jährigen Boom am deutschen und vor allem Berliner Immobilienmarkt scheint die Hausse nun vorbei. Das historisch niedrige Zinsniveau von weit unter 1% für die Finanzierung einer Immobilie ist Geschichte, was derzeit vor allem den privaten Immobiliensektor und die Bauwirtschaft im Allgemeinen stark beeinflusst hat.
Meine nachfolgenden Gedanken basieren vornehmlich auf meinen Erfahrungen im Berliner Immobilienmarkt, decken sich aber auch mit der Situation in anderen deutschen Teilmärkten.
Private Immobilienkäufer haben einen Erwerb erst einmal auf Eis gelegt oder prüfen verstärkt die Optionen die sich Ihnen bieten. Das reicht von Anpassungen der eigenen Suchparameter wie die Verschiebung der Präferenzen in puncto Lage und auch der Größe. Der jedoch hauptsächlichste Grund sind die stark veränderten Finanzierungskosten, die sich vervielfacht haben und daher einen Immobilienankauf für viele erst einmal in weite Ferne rücken lassen haben. Gerade im Segment der Erstkäufer und im Bereich bis ca. 800.000€-1.000.000€ erfuhr der Markt eine Art Vollbremsung und den kompletten Einbruch. Nur Kunden die bereits in Finanzierungsgesprächen standen mit der Aussicht auf noch einigermaßen erträgliche Zinsen unter 3% sowie diejenigen, die Ihre Eigenkapitaldecke erheblich aufstocken konnten, gehören aktuell zu denen die noch kaufen. Aber auch bei dieser Klientele kommt es gerade im Neubaubereich vermehrt zu Rückabwicklungen, da Neubauprojekte aufgrund der bestehenden Schwierigkeiten bauseits nur sehr verzögert fertiggestellt werden können und dadurch die Erwerber in große Schwierigkeiten aufgrund der Bereitstellungszinskonditionen geraten.
Gibt es noch einen Markt für Luxusimmobilien?
Am aktivsten, wenn man überhaupt bei der sich darstellenden Dynamik am Markt davon sprechen kann, sind Kaufinteressenten im gehobenen Marktsegment. Diese Kunden verfügen grundsätzlich über eine sehr gesunde Eigenkapitaldecke sowie sehr gute Rücklagen und/oder Investments die ggf. für den Erwerb hinzugezogen werden können. Für diese Kundengruppe bieten sich derzeit im Markt die größten Chancen, einen interessanten Ankauf zu tätigen. Im, wie ich bezeichne, Segment der Lifestyle Immobilien können derzeit mitunter substanzielle Abschläge durch Preisverhandlungen erzielt werden. Verkäufer wissen um die Situation am Markt und sind einem schnellen Verkauf auch mit Abschlägen nicht abgeneigt. Hier vereinen sich wieder die Interessen beider Kundengruppen, Käufer und Verkäufer, denn zur Verfügung stehendes Kapital wird nicht nur für die mögliche wirtschaftliche Eigensicherung verwendet, sondern auch um ggf. attraktive und lukrative Investments an den Aktienmärkten zu tätigen. Jedoch beleuchtet das wieder ein aktuelles Problem auf Käuferseite, denn diese wägt stark ab, ob sie in eine Immobilie oder doch lieber in eine anderweitige Anlage investieren wo die Aussichten auf große Gewinne verlockend erscheinen. Zumal die Kunden keine wirkliche Wohnungsnot verspüren.
Von einem massiven Einbruch der Verkaufspreise kann man jedoch (noch) nicht sprechen. Das kann sich zwar tendenziell schnell ändern, je nach dem wie sich die globale Sicherheitslage mit daraus resultierenden Situationen verändert, aber derzeit kann man lediglich von einer Seitwärtsbewegung sprechen, mit eben der Möglichkeit Kaufpreise aufgrund von Verhandlungen zu reduzieren. Dabei geschieht dies meistens bei solchen Immobilienangeboten, die bereits im Vorfeld aufgrund des noch vor kurzer Zeit prosperierenden Marktes sehr optimistisch eingepreist wurden. Diese Höchstpreise erfahren den größten Dämpfer, was auch zu einer gewissen Marktnormalisierung führt.
Da es Erwerber generell schwieriger haben, eine Finanzierung aufgestellt zu bekommen und Banken noch restriktiver beurteilen, werden sich die Kaufpreise normalisieren müssen, um einen Verkauf zu generieren. Festzustellen ist, dass sich Luxusimmobilien im Top-End Bereich nach wie vor verkaufen, solange die Parameter der Immobilie mit denen der Interessenten übereinstimmen. Die Anforderungen der Kunden sind jedoch sehr hoch und nur in den wenigsten Fällen zu matchen. Im Zuge der Inflationssicherung von Privatvermögen, werden die vorangegangen beschriebenen Immobilien aber gekauft. Die vermehrten Verkaufsfälle von sogenannten Blue Chip Real Estate Assets sind vor allem in Lifestyle betonten Lagen zu beobachten, gerade im internationalen Kontext. Trotz Kaufpreisabschlägen von mehreren Hunderttausend bis hin Millionen sprechen wir dennoch von Höchstpreisen die erzielt werden.
Zu einer Marktberuhigung kommt es meiner Ansicht nach erst im Sommer 2023. Vorausgesetzt die geopolitischen Unsicherheiten verschärfen sich nicht und der Ukrainekrieg findet hoffentlich ein baldiges Ende. Corona, was wieder wie ein Damoklesschwert über uns schwebt, wird hoffentlich keine gravierenden Auswirkungen wie 2020/2021 haben, womit sich die globalen wirtschaftlichen Probleme ebenfalls weiter entspannen sollten. Lieferketten-, Produktions- und Materialprobleme werden behoben und der Weg aus der Rezession damit eingeschlagen:
Ich glaube jedoch nicht, dass wir in absehbarer Zeit wieder ein so historisch niedriges Zinsniveau erreichen werden wie in den letzten Jahren. Nach Gesprächen mit Bankern und Finanzieren gehe ich davon aus, dass wir uns auf ein Zinsniveau von um die 3-4% einstellen müssen. Der derzeitig angesprochene Wohlstandsverlust der Deutschen begründet sich meiner Meinung nach vor allem im Verlust dieser historisch niedrigen Zinsen und der damit einhergehenden Senkung der Verbraucher-Laune Geld auszugeben. Ohne Zweifel werden wir auch nach diesen derzeitigen Schwierigkeiten einen der weltweit höchsten Wohlstände aufweisen, jedoch dies dann auch auf einem wesentlich finanziell gesünderen Niveau als zu Hochzeiten der Niedrigzinsen.
Lohnt es sich bis Ende 2023 mit dem Kauf zu warten?
Wie immer kommt es darauf an. Mit einer soliden Eigenkapitalstruktur sowie Finanzierung sollte dem Immobilienkauf nichts entgegenstehen, zumal wie oben angesprochen Preisverhandlungen sehr erfolgreich geführt werden können.
Veränderungen demografischer Faktoren mit prognostizierten hohen Zuwanderungsraten gerade für Berlin (das Erreichen der 4mio Einwohnerzahl wurde demnach auf ca. 2035 vorgezogen), gepaart mit den Problemen in der Bauwirtschaft und der daraus resultierenden Verknappung des Wohnungsangebots, lassen die Preise sehr wahrscheinlich nicht fallen. Preissteigerungen sind mit großer Sicherheit zu erwarten. Dies dürfte vor allem den Eigennutzermarkt beeinflussen und zu tendenziell steigenden Kaufpreisen führen, bzw. die Bereitschaft auf Verkäuferseite Kaufpreise nachzuverhandeln sinken lassen. Das neue Normal werden höhere Zinsen sein und damit einhergehend auch nur solventen und einkommensstärkeren Käufergruppen die Möglichkeit eröffnen, Wohneigentum zu erwerben. Alles in allem vielleicht auch im Sinne eines „gesunden“ finanziellen Systems.